Freitag, 16. Januar 2009

Wittgenstein und die Memetik

Ich habe mich mit der Memetik beschäftigt. Dabei bin ich primär stolz auf diesen Abschnitt hier:




Wittgenstein und Memetik

In der Memetik existiert jedoch bezüglich der genauen Definition des Mems ein Bruch in "Internalists" und "Externalists". Externalisten versuchen das Mem im Gegenstand oder dem Verhalten zu definieren. Internalisten halten das Mem für etwas, was in unserem Hirn existiert.

Der Disput scheint mir weitaus komplexer, als in der Literatur angenommen. Robert Aunger, ein Internalist beruft sich auf folgendes Gedankenexperiment: (aus The Electric Meme)

Einstein's Tea Party

In 1904, Albert Einstein could frequently be found muttering "E=mc²" as he tramped around his apartment in Bern, Switzerland. After a few days of this, his parrot, Jolly, began squawking "E=mc²", copying the German physicist's tone and inflection exactly. Although Einstein loved the bird's companionship, he found his mimicry often upset his train of thought. He determined to give Jolly a companion, hoping the parrot would pay more attention to a new lady-friend than the scientific discoveries of his human benefactor. So the next day, after finishing at the patent office, he purchased a second parrot, which he called Polly.

By this time, Einstein had stopped muttering "E=mc²". But the amorous Jolly had not. Polly soon learned to imitate Jolly's vocalization perfectly. Einstein hadn't counted on that and was quite annoyed, since now Polly was also interrupting his meditations.

Max Plank visited Einstein's apartment for tea a week later. Einstein was reluctant to discuss his recent work in front of another physicist until it was published. However, as Einstein's maid, Gertrude, came into the room with tea, Plank heard the new parrot saying something. He instantly recognized it as the solution to a problem he had been trying to solve for years. "Yes," Plank exclaimed, "E=mc²!"

Gertrude, just then serving the guest, wondered why he was so excited about the parrot's nonsensical chatter as to nearly upset the tea service.



Rober Aunger bemerkt nun richtig, dass das Mem "E=mc²" mehrmals abgebildet wurde und diese Abbildung wieder von Plank verstanden wurde --- Das ursprüngliche Meme war aus der Abbildung heraus "rückführbar". Dies erinnert an Wittgensteins Tractatus, in dem eben solche Isomorphen Abbildungen diskutiert werden.


4.0141. Dass es eine allgemeine Regel gibt, durch die der Musiker aus der Partitur die Symphonie entnehmen kann, durch welche man aus der Linie auf der Grammophonplatte die Symphonie und nach der ersten Regel wieder die Partitur ableiten kann, darin besteht eben die innere Ähnlichkeit dieser scheinbar so ganz verschiedenen Gebilde. Und jene Regel ist das Gesetz der Projektion, welches die Symphonie in die Notensprache projiziert. Sie ist die Regel der Übersetzung der Notensprache in die Sprache der Grammophonplatte.




Somit ist der Papagei nichts anderes als ein "Projektionsfläche" für das Mem. Er könnte durch ein beliebiges Medium (Notiz, Bemerkung von Gertrude) ersetzt werden.

Sprachgebrauch ist jedoch nicht so simpel, wie es der Tractatus illustriert. Dies wurde Wittgenstein mit seinem Spätwerk klar. Betrachten wir den Unterschied zwischen Gertrude und Plank, ist es offensichtlich, dass "E=mc²" für Gertrude keine Bedeutung hat. Wittgenstein würde dies mit dem Ausdruck Sprachspiel erklären: Max Plank und Einstein spielen das selbe "Physik Sprachspiel", in welchem das Mem "E=mc²" eine Bedeutung erhält. Um also ein Mem erfolgreich aufzunehmen, muss bereits ein gewisses Fundament existieren.

Da Sprache eine Teilmenge aller Meme ist, müssen jene Gedanke, welche Wittgenstein über die Sprache anstellte ebenfalls für die Gesamtheit der Meme gelten. Wörter (\in Meme) erlangen ihre Bedeutung innerhalb der Sprache durch die Benutzung in einem Sprachspiel. Ein Mem kann somit auch nur ein bestimmtes Verhalten sein, welches durch die Benutzung eine Bedeutung erlangt, zum Beispiel eine Form des Grusses --- Es wäre angebracht von einem Memspiel zu sprechen, da es sich um Analogie zum Sprachspiel handelt.

Wollen wir somit die Bedeutung eines Mems erschliessen, kann dies nur innerhalb eines Memspieles geschehen. Das heisst, in dem wir seine Verwendung darin betrachten. Gleichzeitig kann ein Mem jedoch abgebildet werden in ein Symbol.

Dieses Symbol wiederum kann zu einem Mem werden --- Würde Gertrude von ihrem Lebensabschnittspartner Patrick gefragt, wie ihr Tag verlief, könnte sie diese (unverstandene) Zeichenkette zitieren. Patrick könnte diese Zeichenkette nun an seine Freundeskreis weitergeben, etc., ohne diese zu verstehen.

Natürlich, sobald dieses Mem sich zurück in das "Physiker Memspiel" verirrt, weil zum Beispiel Richard Feynman den gleichen Pub frequentiert wie Patrick, würde diesem die ursprüngliche Bedeutung der verwendeten Symbole klar werden. Dies wäre vielleicht sogar der Fall, wenn sich das Mem in der Zwischenzeit verändert hat und nun vielleicht "E=mc²" lauten würde.


Was jedoch auszuschliessen ist, ist das ein Gegenstand ein Mem ist. Wittgenstein präsentiert uns dazu ein Gedankenspiel: (PU)

§41
Im §15 haben wir in die Sprache (8) Eigennamen eingeführt. Nimm nun an, das Werkzeug mit dem Namen "N" sei zerbrochen. A weiss es nicht und gibt dem B das Zeichen "N". Hat dieses Zeichen nun Bedeutung, oder hat es keine?

[...]

Wir können uns aber auch eine Abmachung denken, nach der B, wenn ein Werkzeug zerbrochen ist und A das Zeichen dieses Werkzeugs gibt, als Antwort darauf den Kopf zu schütteln hat. --- Damit, könnte man sagen, ist der Befehl "N", auch wenn dieses Werkzeug nicht mehr existiert, in das Sprachspiel aufgenommen worden, und das Zeichen "N" habe Bedeutung, auch wenn sein Träger zu existieren aufhört.

Genau gleich muss es sich mit Meme verhalten, welche ein Artefakt bezeichnen. Existiert das Artefakt nicht mehr, kann das Mem unabhängig davon weiter existieren.


Somit ist die Debatte der Internalisten und Externalisten jedoch nicht entschieden. Viel eher ist es klar, dass sie nicht als solches gelöst werden kann. Eine Mischform muss verwendet werden, Meme treten in verschiedenen Formen in Erscheinung. Die Frage was dahinter steht, wo genau in unserem Hirn sich ein Mem befindet, ist jedoch nicht auf unserem Stand der Neurologie nicht zu beantworten.

Das Hirn scheint jedoch als Träger eines Replikators optimal, eine grosse Menge von Energie, isoliert von äusseren Einflüssen und Gefüllt mit standardisierten, re-kombinierbaren Elementen (Neuronen). Meme befinden sich somit in einer Symbiose mit den Genen. Die Meme ermöglichen eine höhere Population (Beispiel: Sesshaftigkeit). Die Gene wiederum stellen den Memen ihre Vehikel zu einem gewissen Grad zur Verfügung, die Grenzen dieser Kontrolle sind Gegenstand der Psychologie.

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