Dienstag, 28. April 2009

Rachemitgefühl

Sympathy for Lady Vengeance, 2005

Was ist Rache? --- Wenn man einer Ungerechtigkeit mit einer weiteren begegnet. Also, ein Rollentausch. Der Täter wird zum Opfer, das Opfer wird zum Täter. Das groteske daran ist natürlich, dass dieser Rollentausch erneut möglich ist (Fehde).
Wie ist dieses Problem zu lösen? Aus Laune denke ich erstmal an die Bibel. Im Alten Testament wird ja noch von "Auge für Auge" gesprochen, aber das ist ja nur Vergeltung, und keine Rache. Explizit um Rache geht es erst wieder im Neuen Testament, genauer Röm12:19, wie folgt:

(14) Segnet, die euch verfolgen; segnet und fluchet nicht.
[...]
(19) Rächet euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt dem Zorn Raum. Es steht ja geschrieben: "Mein ist die Rache, ich will vergelten, spricht der Herr"
Eine höchst elegante Lösung. Für Christen kommt Nächstenliebe vor Rache. Sünden werden jedoch nicht vergessen, so dürfen die Christen Gott vertrauen, der sich um ihre Rache kümmern wird. Gleichzeitig wird auch noch gesagt, dass er gar keine Rache, sondern nur Vergeltung übt --- Auge um Auge eben, dann beim Jüngsten Gericht o.Ä.
Im "modernen" Staat ist das ja genau gleich. Ich vergelte selbst erstmal gar nichts, und lasse jemanden anders das Vergelten übernehmen. Das ist höchst faszinierend: Der Staat hat das Recht, teile des Rechtes zu missachten, ohne selbst Vergeltung zu fürchten. Ein notwendiges Übel, ja?

Was aber, wenn das nicht genug ist? --- Strafe ist ja nicht nur transzendente Freisprechung des Bestraften von seinen Sünden, sie müsste ja auch einen Psychologischen Komponenten aufweisen. Prävention sowie Korrektion halte ich für eher uninteressant, aber die Genugtuung hingegen fasziniert mich. Wie hart muss eine Strafe ausfallen, dass die Geschädigte Partei Genugtuung erfährt? Ist das überhaupt möglich?


Old Boy Trailer, Amerikanische Version

Dieser Neigung entsprechend mag ich Park Chan-wooks Vegeance Triologie auserordentlich. Wie der Name impliziert, dreht es sich bei diesen drei Filmen (Sympathy for Mr. Vengeance 2002, Old Boy 2003, Sympathy for Lady Vengeance 2005) um Rache. Die Filme sind graphisch extrem explizit, Verstümmlungen, Vergewaltigungen und viel Blut. Aber darum schaue ich es ja nicht. Nein, ich bewundere Parks Kunst als Regisseur. Nicht nur die Cinematographie, auch der Entschluss die gesamte Trilogie in Barock Musik zu hüllen ist ein Fest --- Tarantino-mässig.
Der Erzählstil (wenn man das so nennen kann, bei Filmen) ist oft willentlich inkohärent, Enden mehrdeutig, Charaktere komplex. Nur das Motiv der Rache bleibt.

Mein Favorit ist Oldboy, aufgrund dem Spiel mit den Strukturen und diesem Zwist am Ende. Ich sah mir heute jedoch den letzten Teil, Sympathy for Lady Vengeance erneut an --- Grund dazu war natürlich das überraschte Erlangen der Bluray Version.

Was Lady Vengeance so besonders macht, ist der letzte Abschnitt. In diesem treffen sich 4 Familien, deren Kinder von einem Serientäter umgebracht wurden mit der Protagonistin, welche ebenfalls eine persönliche Fehde gegen diesen Serienmörder und Erpresser namens Beak hat. Herr Beak wird in einem Nebenraum festgehalten (Szene auf dem Bild unten ersichtlich).

Sympathy for Lady Vengeance, 2005

Die Familien werden nun von der Protagonistin Geum-Ja vor die Wahl gestellt, ihre Rache persönlich zu verüben, oder Beak der Polizei auszuliefern. Die Szene ist wirklich ein Meisterwerk. Eine der Familien ist offensichtlich Reich (Golduhr, geschieden), andere leben bescheiden. Ihre Diskussion wird in den Nebenraum per Mikrophon übertragen --- Beak hört also mit.

Die erste Frage welche gestellt wird, ist, ob denn Beak eigene Kinder hätte (Auge für Auge).
Als dies verneint wird, will der Reiche wissen, wofür er dann das Geld wollte, wenn nicht für seine Kinder? --- Antwort, er sparte es einfach.
In einer späteren Szene stecken sämtliche Familien ein wenig beschämt Geum-Ja ihre Kontodaten zu. Genugtuung?
Als nächstes wird an der Polizei gezweifelt, der Vorschlag wird laut, Geum-Ja soll ihn doch töten, weil sie ja bereits Straffählig sei. Es wird abgestimmt, dabei stimmen alle bis auf eine Mutter für die individuelle Rache.
Die Furcht, selbst das Ziel von Gesetzlicher Vergeltung zu werden, ist so gross, dass sie sich darauf einen Pakt zu machen, einen jeden Verräter wiederum zu Rächen.
Sie entscheiden sich dafür, dass jede Familie alleine Beak besucht --- Rache sei etwas privates.

Lady Vengeance, "Wartebank" für die Familien

Das ganze endet Blutig (man beachte den Plastik Blachen im 2. Bild, um das ganze Blut aufzusammeln). Gewisse müssen sogar davon abgehalten werden, Beak zu töten, bevor jede Familie dran kam.

Tönt Grausam, aber Parks Kunst ist es, die Sympathien des Zuschauers gezielt zu lenken. Für eine Szene lang hat man Mitleid mit Beak, und in der Nächsten bereits wünscht man ihm einen grausamen Tod. Park erzeugt ein Rachemitgefühl welches involviert. Immer wieder sehnswert!

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